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Ob Raubfische oder Flugreisen, wir Menschen fürchten uns oft vor dem Falschen, sagen Risikoforscher. Relativ harmlose Dinge empfinden wir als gefährlich, tatsächliche Risiken, wie eine ungesunde Ernährung, nehmen wir auf die leichte Schulter. Unsere Kollegen von fondsmagazin erklären, warum unsere Wahrnehmung verzerrt ist, was die Folgen sind und wie man lernt, besser mit Risiken umzugehen – auch bei der Geldanlage.

Eine Aktie, ein Würstchen und ein Flugzeug – sie alle tragen ein Risiko in sich. Die Aktie kann an Wert verlieren, das Würstchen Keime enthalten und das Flugzeug abstürzen. Sie bieten aber auch Chancen: Kursgewinne, herzhaften Genuss oder einen schnellen und bequemen Transport. ­Chance oder Risiko, was überwiegt? Eine alltägliche Frage. ­Eigentlich müssten wir Experten darin sein, richtig abzuwägen, aber häufig ist das Gegenteil der Fall.

Das Bauchgefühl trügt

Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 verschärften die USA die Sicherheitsvorkehrungen im Flugverkehr. Doch viele Menschen trauten den Maßnahmen nicht und stiegen auf das Auto um. In den zwölf Monaten nach dem Anschlag gab es dann keine einzige Flugzeugentführung in den USA – aber 1.600 Verkehrstote mehr als im Jahr zuvor. Hätten sich die Menschen nach Erfahrungswerten gerichtet, statt auf ihr Bauchgefühl zu hören, wären sie nicht auf den Pkw umgestiegen.

Trotz zunehmender Terrorgefahr wird Fliegen immer sicherer: Einer Berechnung des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zufolge, lag die statistische Wahrscheinlichkeit, bei einem Unglück mit einem Passagierflugzeug ums Leben zu kommen, im Durchschnitt der 1970er-Jahre bei 1 zu 264.000, im vergangenen Jahr bei 1 zu 12.847.000. Die Gefahr eines Absturzes war in den 1970er-Jahren also etwa 49-mal so hoch wie 2016.

„Die Menschen verkalkulieren sich oft. Sie überschätzen und unterschätzen sowohl Risiken als auch Chancen“, erklärt Ortwin Renn, Risikoforscher und wissenschaftlicher Direktor am Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies. Dabei haben alle ein gemeinsames Ziel: Sie wollen Gefahren aus dem Weg gehen und Chancen nutzen.

Doch beim Versuch, Fallen zu vermeiden, tappen viele geradewegs in sie hinein. Das Problem: Die Welt, in der wir leben, ist hochkomplex. Wenn Ursache und Wirkung räumlich oder zeitlich weit auseinanderliegen – wie zum Beispiel bei der internationalen Finanzkrise oder dem Klima­wandel –, dann wird es aber umso schwieriger, die Risiken adäquat zu beurteilen.

Gerade die „zeitliche Verzerrung“ führt häufig zu Fehleinschätzungen: Rauchen, übermäßiges Trinken von Alkohol, ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung – dass sich diese Faktoren negativ auf die Gesundheit auswirken, ist bekannt. Expertenschätzungen zufolge sind sie für 40 bis 60 Prozent aller vorzeitigen Todesfälle verantwortlich. Und doch ändern viele nichts oder nur wenig an ihrer ungesunden Lebensweise. Den Grund erläutert Renn: „Bei mangelnder Bewegung oder schlechter Ernährung sind die Effekte indirekt und zeitlich stark verzögert.“ Dass die daraus resultierenden Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen in einigen Jahren vielleicht zu einem Herz­infarkt führen werden, ist weit weg und lässt sich am Ende auch kaum zweifelsfrei einem einzelnen Besuch im Fast-Food-Restaurant zuordnen.

Richtig fürchten lernenDie negativen Folgen einer grundsätzlich ungesunden Ernährung leuchten ja noch ein, aber was soll schon passieren, wenn man ab und an ein Würstchen isst? Leider eine Menge, wenn man die Hygiene vernachlässigt. Wer einen rohen Hähnchenschenkel auf den Grillrost legt und danach mit derselben Hand eine Bratwurst verspeist, kann sich sofort mit Campylobacter-Bakterien infizieren und sich auf starke Durchfälle und hohes Fieber gefasst machen. Die Falle dabei ist der Hang zum Gewohnten, denn das Vertraute erscheint gefahrlos. „Wenn wir uns mit etwas gut auskennen, gibt uns das ein Gefühl der Kontrolle. Dann nehmen wir auch die eigenen Fähigkeiten als besonders groß wahr“, so Forscher Renn. Deshalb haben Autofahrer selten Angst vor Unfällen und Schwimmer vernachlässigen die Gefahren der Strömung.

Ähnlich verhält es sich zum Beispiel beim Trendthema E-Bikes. Laut den jüngsten Zahlen schnellten hier die Unfälle von Januar bis September 2016 um 39 Prozent auf 3.214 in die Höhe. Dabei kamen 46 Menschen ums Leben. Die Zahl aller Fahrradunfälle stieg hingegen nur um 6 Prozent. Verkehrsexperten halten E-Bikes nicht für grundsätzlich gefährlicher als Fahrräder. Aber sie werden eben oft von ungeübten oder älteren Fahrern genutzt, die im Straßenverkehr schnell überfordert sind, ohne sich dessen bewusst zu sein – denn Fahrradfahren verlernt man ja vermeintlich nicht.

Chancen bleiben ungenutzt

Doch nicht nur Selbstüberschätzung oder die vermeintliche Harmlosigkeit des Vertrauten können Fallen sein. Die menschliche Psyche täuscht sich auch umgekehrt: Wenn uns etwas fremd ist, dann wirkt es per se oft angsteinflößend. Das wird zum Problem, wenn wir deshalb Chancen ungenutzt vorbeiziehen lassen. Bei der Geldanlage kommt das in Deutschland besonders zum Tragen. So legen etwa nur gut 14 Prozent der Deutschen ihr Geld in Aktien an. Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist das ein außergewöhnlich niedriger Wert. In Japan liegt die Quote bei 28 Prozent, in den USA sind es sogar 56 Prozent.

Rüdiger von Nitzsch, Professor am Lehrstuhl für Entscheidungsforschung und Finanz­dienst­leis­tun­gen an der Uni Aachen, wundert die Scheu der Deutschen vor Aktien nicht. „In Deutschland ist in ­Sachen Finanz­anlage eine Art Analphabetismus weit verbreitet“, sagt von Nitzsch. Das beginne schon in der Schule: „Es gibt wenig wirtschaftlich orientierte ­Fächer, und auch das unternehmerische Denken ist hierzulande nicht ausgeprägt.“ Aktien hätten für viele ein unberechenbares Image, der Handel mit ihnen werde nicht selten als Glücksspiel angesehen.

Richtig fürchten lernen

„Die heutige Geldanlage am Aktienmarkt hat mit Glücksspiel aber nichts zu tun“, sagt Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft bei der Deka. Zwar könne selbst eine konservative Firma pleitegehen, doch das würde im Depot eines weitsichtigen Anlegers allenfalls eine Delle hinterlassen – wenn denn Grund­regeln, wie eine breite Streuung des Kapitals, beachtet werden. Am einfachsten lässt sich das mit Fonds bewerkstelligen. „Die Produktauswahl ist mittlerweile so gut ausdifferenziert, dass es für jede Art von Risiko­bereit­schaft ein passendes Angebot gibt.“
Selbst erfahrenere Anleger, die die Grundregeln der Börse beherrschen, sitzen jedoch mitunter Trugschlüssen auf – etwa wenn sie vor Rekordmarken an den Börsen zurückschrecken. Die bange ­Frage lautet dann: Ist es bei einem Dax von mehr als 12.000  Punkten nicht zu spät, um einzusteigen? Nein, denn ein neuer Höchststand kann schlichtweg auch die natürliche Konsequenz positiver und intakter Trends sein. In anderen Produktgattungen lösen „Höchstpreise“ denn auch längst nicht so häufig Irritationen aus. „In der Pizzeria wundert sich niemand, wenn von Zeit zu Zeit die Preise steigen und neue ‚Rekorde‘ erreichen. Das ist eben auch an der Börse so. Ein Kursanstieg muss nur gut mit Argumenten untermauert sein. Das sehen wir derzeit in Form von steigenden Unternehmensgewinnen“, erklärt Bahr.

Wenn es nicht vermeintlich hohe Kurse sind, die Anlegern Angst einjagen, dann vielleicht Politiker der Marke Donald Trump? Hier kann ein Blick zurück hilfreich sein: Wer in den vergangenen 117 Jahren in US-Aktien investierte, hatte laut den Analysen der London Business School spätestens nach 16 Jahren mindestens seinen Einsatz zurück – trotz zweier Weltkriege, der Weltwirtschafts-, der Öl-, der Asien- und der Finanzkrise. Mit diesem Wissen kann die Wall Street vermutlich auch Trump verkraften. Risiken an der Börse sollte man dennoch nicht kleinreden. Selbst wenn Verluste irgendwann aufgeholt werden, können Kurseinbrüche den Börsianern schwer zusetzen. So standen Anleger, die Anfang 2015 in den Dax investierten, binnen weniger Monate 20 Prozent im Minus. Die einfachste Vorkehrung: nicht alles auf einen Schlag investieren. Wer die geplante Summe mit einem Deka-TauschPlan über Monate streckt, geht dem Risiko eines schlechten Timings aus dem Weg.

Noch „krisensicherer“ ist ein langfristiger Sparplan. Anleger, die im Sommer 2007 mit dem monat­lichen Fondssparen starteten, trafen damit zwar auf den ersten Blick eine unglückliche Entscheidung, denn die Lehman-Pleite, die dramatische Euro-Rettung und das Griechenland-Chaos lagen vor ihnen. Doch die Wertentwicklungsstatistik des Fondsverbands BVI (Quelle: www.bvi.de; Stand: 31.03.2017) zeigt:

In den vergangenen zehn Jahren haben Sparpläne auf europäische Aktienfonds 6,4 Prozent durchschnittliche jährliche Rendite erzielt, bei globalen Portfolios waren es 7,7 Prozent und bei deutschen 8,4 Prozent.* Zwischendurch notierten die Aktienmärkte zwar tief im Minus, doch zu dieser Zeit erwarben Anleger dank der gleichbleibenden Sparraten besonders viele Anteile zu sehr niedrigen Preisen. Holger Bahr schätzt einen weiteren Vorteil: „Legt jemand jeden Monat Summe X an, wird ihm das zur Gewohnheit. Dann reagiert er gelassener, wenn es einmal schlechte Zahlen an der Börse gibt und er eini­ge Prozent hinten liegt. Es geht ja immer weiter.“

Manchmal ist es ganz simpel, die Angst vor der eigenen Courage zu überwinden. Und schließlich haben die Menschen etwas davon, richtige Entscheidungen zu treffen: Sie sind im Alter nicht nur vitaler, wenn sie auf eine gesunde Lebensweise geachtet haben, sondern können sich mit einer guten Vorsorge auch mehr leisten.

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