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Weltweit erfindet sich die Industrie derzeit neu – mit einer Produktion, die permanent digital vernetzt ist: vom Lieferanten über die Logistik bis zum Kunden im Shop. Das ermöglicht gewaltige Produktivitätsfortschritte. Wirtschaft und Arbeitswelt werden sich dadurch vollkommen verändern.

Zwei Meter ist Justin groß und himmelblau. Er kann seine Ellbogen um 360 Grad drehen und arbeitet mühelos 24 Stunden am Stück. Seine Arme können Tonnen heben, doch der Händedruck ist sanft. Wie seine Stimme. Die Väter des Superroboters im Forschungslabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereiten ihn gerade für einen möglichen Einsatz auf dem Mars vor. „Er könnte dort anstelle menschlicher Astronauten die anfallenden Arbeiten erledigen“, sagt der Roboterexperte Thomas Hulin. Zudem sei Justin schlau und gut vernetzt, quasi ein Musterexemplar der neuen Robotergeneration.

Automatisierte Helfer, die nur einseitige Jobs ausführen können, werden abgelöst von neuen Maschinen, die sich zu Partnern menschlicher Kollegen entwickeln. Sie optimieren sich selbst – im Netz mit Nachbarmaschinen oder auch über die Internet-Cloud. Das Prinzip dahinter beschreibt Martin Käseberg aus dem Produktmanagement der Deka: „Die Produktion verbindet sich mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik. Daten werden aktiv genutzt, um die Massenfertigung völlig zu individualisieren.“ Ein intelligentes Werkzeug bei Siemens weiß dank eingebauter Sensoren selbst, wann es gewartet oder ersetzt werden muss, und meldet das rechtzeitig über ein Netzwerk. Ein Roboterarm reicht dem Menschen bei Daimler am Band das Werkstück genau in dem Winkel, in dem dieser es ohne Verrenkungen verschrauben kann. Oder ein Kunde konfiguriert im Internet den Turnschuh seiner Träume. Gleichzeitig nimmt ein 3-D-Drucker bei Adidas die Produktion des Unikats auf.

Weltweite Elite der Firmen

„Die Vierte Industrielle Revolution ist in vollem Gange“, sagt auch Käsebergs Kollege aus dem Fondsmanagement, Bernd Köcher. Es hat sich eine weltweite Elite an Firmen versammelt, von denen die entscheidende Technik für die Revolution erfunden wird: Spezialisten für Robotik, 3-D, Automatisierung und Webtechnologie. Firmen, die mit künstlicher Intelligenz, Cloud-Anwendungen und Big Data ihr Geld verdienen. Halbleiterkonzerne, die autonomes Fahren ermöglichen oder jene Kamerasysteme bauen, die Justins Augen sind. Auch Mobilitäts- und Haushaltsdienstleister oder die Entwickler vernetzter Operationsroboter gehören dazu.

Die Anwendungen nehmen täglich zu. Die Zahl der weltweit vernetzten Endgeräte und Maschinen wird laut der Unternehmensberatung PwC bis 2030 von heute zwanzig Milliarden auf eine halbe Billion wachsen. Die Kühlschränke, Autos, Heizungsregler, aber auch die Parkhäuser, Lkw-Flotten oder Lagerregale: Alles könnte mit allem kommunizieren. Wer diese Technik beherrsche, könne viel genauer auf den Kunden reagieren, werde leistungsfähiger und mache mehr Gewinn, sagt Fondsmanager Köcher. Denn der Ausschuss sinke durch kundengenaue Produktion und die Logistikkosten ebenfalls, wenn Maschinen und Big Data für eine bedarfssynchrone Produktion sorgten.

Das genaue Analysieren und Eingehen auf die Kundenwünsche bei Internetgiganten wie Amazon zeigen auch dem Normalverbraucher, wohin die Reise geht. Die Logistik in der Musterfabrik im kalifornischen Tracy sorgt dort schon voll vernetzt und online für optimale Lagerhaltung. Intelligente Roboter holen die bestellte Ware aus dem Hochregal, und dank Datenanalyse ist zum Beispiel absehbar, wie viele 32-Zoll-Fernseher in zwei Wochen in einem bestimmten Lager vorgehalten werden müssen. Denn die Software kennt die Kunden.

Aber „auch die deutsche Industrie setzt diese Revolution schon eifrig um“, sagt Käseberg. SAP etwa stellt hochflexible Datenbanken für den neuen Datenverkehr in die Cloud, Jungheinrich baut autonome Fahrzeuge für den Fabrikverkehr, Kuka erschafft Roboterarme wie die von Justin.

Unzählige Sensoren lassen Roboter wie Justin zudem wissen, wo seine Finger wann und wie stark zupacken müssen. Er sieht mit seinen Kameraaugen im weißen Gesicht, an welcher Stelle welches Werkzeug liegt und setzt es an der richtigen Position an. Und dank selbstlernender Programme wird er täglich schlauer.
DLR-Wissenschaftler Thomas Hulin ist aber sicher: „Die Arbeit für Menschen wird nicht weniger werden.“ Wie schon bei den bisherigen industriellen Revolutionen ist zwar damit zu rechnen, dass es auch diesmal gerade bei einfachen Arbeitsgebieten zu einem Jobabbau kommt, dafür entstehen aber oft noch ungeahnte Tätigkeiten in Kundenbetreuung, Koordination oder Entwicklung.

Vor der Verteilung der Arbeit besteht aber ein enormer Finanzbedarf, um innovative Technologien überhaupt zu realisieren. Laut PwC dürften allein die Investitionen in Deutschland bis 2020 jährlich 40 Milliarden Euro betragen. Für die Bundesrepublik wird das Wachstumspotenzial durch Industrie 4.0 bis 2025 aber auch auf 200 bis 425 Milliarden Euro beziffert. Eine Studie der Bank of America Merrill Lynch schätzt das Potenzial für eine zusätzliche Wertschöpfung allein durch intelligentere Roboter weltweit auf umgerechnet bis zu 1 Billion Euro bis 2025.

Die großen Industrieländer Japan, USA und Deutschland hätten dabei unterschiedliche Kernkompetenzen, so Käseberg. Japaner etwa seien bei Kameratechnik und Logistik stark, US-Amerikaner bei der gewinnorientierten Datenanalyse. Facebook, Google oder Apple beweisen es.

Und die Deutschen? Dank ihrer guten Ausbildung und des industriellen Rückgrats liegen sie bei der Vernetzung der gesamten Produktionskette vorn. „Aber die USA sind der Innovationsführer. Daher gibt es dort viele Unternehmen, in die es sich zu investieren lohnt“, ergänzt Deka-Experte Köcher. „Und ich bin überzeugt: Für diese Auswahl sind wir Menschen besser geeignet als Roboter.“

Erschienen in Kooperation mit fondsmagazin