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Chaos auf Flughäfen und an Bahnhöfen: Ihre ReiserechteDiese Möglichkeiten haben Sie bei Verspätungen, Ausfällen und anderem Ärger

Pünktlich zum Start der Sommerferien herrschen auf Flughäfen und an Bahnhöfen teils kritische Zustände. An Flughäfen kommt es durch Personalmangel zu langen Wartezeiten. Zahlreiche Flüge werden bereits im Vorfeld storniert. Doch auch beim Reisen mit der Bahn kann es derzeit vermehrt zu vollen Zügen, Verspätungen und Überlastungen kommen. Ein Grund dafür: das beliebte 9-Euro-Ticket. Kennen Sie Ihr Reiserecht, können Sie in vielen Fällen den Reisepreis oder einen Anteil zurückverlangen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Ferienzeit beginnt und parallel sind viele Flughäfen und Bahnhöfe überlastet.
  • Im Fall einer Verspätung oder Stornierung gelten unterschiedliche Rechte.
  • Um den Urlaub zusätzlich abzusichern, kann es sich in einigen Fällen lohnen, eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen.

Reisen mit dem Flugzeug

Tritt der unschöne Fall ein, dass sich Ihr Flug verspätet oder sogar gestrichen wird, haben Sie unter Umständen einen Anspruch auf Entschädigung. Auch wenn der Flieger überbucht ist und Sie nicht mit in den Urlaub nehmen kann, greift das Reiserecht auf eine Ausgleichszahlung. Wie viel Geld Sie erhalten, richtet sich nach der Flugstrecke. Je nach Streckenlänge können Sie mit einer Entschädigung von 250 bis 600 Euro pro Person rechnen. Unabhängig vom Ticketpreis haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung in diesem Rahmen. Das gilt auch für Kleinkinder, für die kein eigener Platz gebucht wurde.

Außergewöhnliche Umstände

Die Airline muss Ihnen die Flugkosten jedoch nicht erstatten, wenn der Flieger aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht starten konnte. Dazu zählen etwa Unwetter, Vulkanasche, Streiks oder technische Probleme. Es gilt die Frage zu beantworten, ob die Fluggesellschaft das Ereignis beeinflussen oder vermeiden konnte. Das ist nicht immer eindeutig und muss deswegen individuell geprüft werden. Regelmäßig setzen sich Gerichte mit dieser Frage auseinander.

Reiserecht bei einer Pauschalreise

Was vielen nicht bewusst ist: Auch bei einer Pauschalreise haben Sie Anspruch auf Entschädigung bei einer Ankunftsverspätung von drei oder mehr Stunden. Die können Sie im Fall einer Pauschalreise beim Reiseveranstalter und der Airline geltend machen. Die Beträge werden dann miteinander verrechnet. In der Regel ist die Verspätungsentschädigung von der Airline nach der europäischen Fluggastrechteverordnung lukrativer als die Reisepreisminderung des Reiseveranstalters.

Hotel & Verpflegung

Solange Sie noch nicht ans Flugziel angekommen sind, ist die Airline dazu verpflichtet, sich auch um die Verpflegung, eine Hotelunterbringung und den Transport zwischen Hotel und Flughafen der Reisenden zu kümmern. Das gilt auch, wenn ein außergewöhnlicher Umstand Grund für die Verzögerung oder Annullierung ist.

Recht auf Umbuchung und Erstattung für Reisende

Fällt Ihr Flug aus, können Sie eine Umbuchung einfordern oder die Beförderung ganz ablehnen und eine Kostenerstattung verlangen. Unter Umständen wird Ihnen im zweiten Fall vom Reiseveranstalter ein Gutschein angeboten. Diesen müssen Sie jedoch nicht annehmen. Bestehen Sie auf eine Erstattung, muss die Fluggesellschaft den bezahlten Preis innerhalb von sieben Tagen zurückzahlen. Auch wenn Sie den Flug über einen Flugvermittler oder Reiseveranstalter gebucht haben, ist die Airline zur Erstattung des Ticketpreises verpflichtet.

Überbuchung

Viele Fluggesellschaften verkaufen mehr Tickets, als in der Maschine verfügbare Plätze vorhanden sind. Da einige Passagiere umbuchen, stornieren oder ihre Reise nicht antreten, vermeiden Airlines so ungenutzte Kapazitäten. Es kann aber auch zu einer Überbuchung kommen. In diesem Fall bieten Airlines denjenigen, die freiwillig auf den Platz verzichten, eine Umbuchung und Entschädigung an. Möchte niemand auf den Flug verzichten, entscheidet die Fluglinie, wer am Boden bleiben muss. Hier gilt oftmals die Regel: Wer zuerst am Gate war, fliegt zuerst. Waren Sie rechtzeitig am Gate, dürfen nun aber nicht mitfliegen, steht Ihnen eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung zu.

Verlorenes Gepäck

Viele fehlgeleitete Koffer tauchen zwar nach einigen Tagen wieder auf. Ist Ihr Gepäck jedoch unwiederbringlich verschwunden, haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung in einer Höhe von maximal 1.400 Euro pro Person. Dafür müssen Sie belegen können, was sich im Gepäck befand.

Ab ins Handgepäck!

Tragen Sie wichtige Dokumente, Bargeld und Schmuck als Urlauber oder Urlauberin stets nah bei sich und verstauen Sie besonders wertvolle und Ihnen wichtige Gegenstände im Handgepäck.


Reisen mit der Bahn

Bei Reisen mit der Deutschen Bahn und Tochtergesellschaften gelten zwei einfache Regeln: Hat Ihr Zug 60 oder mehr Minuten Verspätung, ist das ein Reisemangel. Es steht Ihnen eine Entschädigung von 25 Prozent des gezahlten Fahrpreises zu. Ab 120 Minuten sind es sogar 50 Prozent vom Reisepreis.

Externe Verspätungsursachen

Kommt es zu einem Schneesturm, technischen Störungen oder anderen ungeahnten Ereignissen, können Eisenbahnunternehmen Entschädigungsansprüche nicht ablehnen.

Recht auf Umstieg im Fernverkehr für Reisende

Bei einer unerwarteten Verspätung von mindestens 60 Minuten dürfen Sie auf einen anderen Zug im Fernverkehr (IC, EC, ICE) umsteigen, um Ihr Ziel zu erreichen. Das gilt auch, wenn der Alternativzug auf einer anderen Strecke fährt. Bei der Deutschen Bahn gilt diese Regel sogar schon ab einer prognostizierten Verspätung von 20 Minuten.

Recht auf Umstieg im Nahverkehr für Reisende

Für den Inter-Regio-Express (IRE), den Regional-Express (RE), die Regionalbahn (RB) und die S-Bahn gilt die deutsche Eisenbahnverkehrsordnung. Ab einer zu erwartenden Verspätung von 20 Minuten dürfen Sie ohne Probleme in einen anderen Zug umsteigen. Steigen Sie jedoch in einen IC, EC oder ICE müssen Sie einen neuen Fahrschein kaufen oder einen Aufpreis zahlen. Am Ziel angekommen, wird Ihnen für diesen Reisemangel die Fahrkarte im Reisezentrum oder über den Postweg erstattet.

Erstattung bei Abbruch der Reise für Reisende

Manchmal macht es bei einer bestimmten Verspätungszeit keinen Sinn mehr, die Reise anzutreten. Beispielsweise, wenn man nicht mehr pünktlich zu einem Termin erscheinen kann. Sie haben dann das Recht, von Ihrer Reise zurückzutreten und können sich die Fahrkosten erstatten lassen. Müssen Sie umsteigen und der Anschlusszug hat Verspätung, dürfen Sie ebenso frei entscheiden, kostenlos an den Ort des Reisebeginns zurückzufahren.

Mahlzeiten und Erfrischungen

Nach europäischer Fahrgastverordnung haben Sie bei einer zu erwartenden Verspätung von mehr als 60 Minuten Anspruch auf „Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder vernünftigerweise lieferbar sind“.

Anspruch auf Taxifahrten für Reisende

Gerade wenn Sie spät am Abend reisen, kann es sein, dass nach einem verpassten Anschlusszug kein weiterer fährt. Hier ist es besonders wichtig, die eigenen Rechte zu kennen. Denn in Ausnahmefällen können Sie dann auf Kosten der Bahn mit dem Taxi weiterfahren. Dafür muss einer dieser beiden Fälle eintreten:

  • Der verspätete Zug wird zwischen 0 und 5 Uhr mit einer Verspätung von 60 Minuten am Reiseziel ankommen.
  • Der Zug zum Zielbahnhof fällt aus und wäre die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages gewesen.

Taxifahrten von bis zu 80 Euro pro Strecke werden nach Ausfüllen des Formulars und der Aushändigung eines Belegs von der Deutschen Bahn für diesen Reisemangel erstattet.

Anspruch auf eine Übernachtungsmöglichkeit für Reisende

Ist Ihre Reisefortsetzung aufgrund eines Ausfalls oder einer Verspätung nicht mehr zumutbar, ist das Reiseunternehmen laut Reiserecht dazu verpflichtet Ihnen eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit anzubieten. Können Sie in diesem Fall kein Zugpersonal oder Bahnmitarbeitende auffinden, können Sie sich auch selbst ein Hotelzimmer nehmen und anschließend eine Erstattung einfordern. Die Kosten für ein angemessenes Hotel, weder Jugendherberge noch Luxushotel, werden dann übernommen, wenn Sie Ihr Ziel in der Nacht nicht mit einer 80-Euro-Taxifahrt hätten erreichen können. Auch die Fahrt mit einem Taxi vom Bahnhof zum Hotel kann geltend gemacht werden. Entsprechende Quittungen müssen dafür eingereicht werden.


Reisen in Zeiten von Corona

Zu Beginn der Corona-Pandemie konnten Kunden und Kundinnen Reisen oftmals kostenfrei stornieren. Der Ausbruch der weltweiten Covid-19-Pandemie galt als „unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand“. Gilt ein solcher Umstand, können Reisen und Pauschalreisen ohne die gängigen Stornierungskosten abgesagt werden. Seit geraumer Zeit gehört die Corona-Krise zum normal gelebten Alltag. Aktuell liegen über das Auswärtige Amt keine Reisewarnungen aufgrund der Pandemie vor. Somit wird Corona nicht mehr als „außergewöhnlicher Umstand“ eingestuft. Es besteht also kein pauschales Reiserecht auf eine kostenfreie Stornierung. Sprechen Sie bestenfalls vor der Buchung Ihrer Reise mit Ihrem Reiseveranstalter zu diesem Thema. Viele bieten in diesen Zeiten die Möglichkeit auf eine kostenfreie Umbuchung. Ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht.

Können Sie Ihre Reise kostenfrei stornieren, muss der Reiseveranstalter den Preis bis 14 Tage nach der Stornierung erstatten. Wenn Ihnen stattdessen ein Gutschein angeboten wird, müssen Sie diesen nach Ihrem Reiserecht nicht annehmen.

Müssen Sie aufgrund eines Coronafalls unten den Mitreisenden in Quarantäne ist das kein Reisemangel. Das entschied das Amtsgericht München. Der Grund: Der Kontakt mit einer infizierten Person ist überall möglich und nicht reisespezifisch. Der Kontakt mit dem Virus zählt zum allgemeinen Lebensrisiko und wird vom Reiseveranstalter nicht erstattet.

Reiserücktrittsversicherung: Was sie abdeckt und was nicht

Eine Reiserücktrittversicherung kann sich lohnen, wenn Sie Ihren Urlaub wegen eines unerwarteten Grundes nicht antreten können. Dazu zählt für Individualreisen und Pauschalreisen unter anderem:

  • Schwere und unerwartete Krankheitsfälle
  • Ein schwerer Unfall
  • Der Todesfall eines nahen Angehörigen
  • Eine Impfunverträglichkeit
  • Oder eine unerwartete Arbeitslosigkeit

Auch ein Reiseabbruch lässt sich versichern. Dann zahlt die Versicherung eine Erstattung der bereits in Anspruch genommenen Reiseleistung, auch wenn Sie die Reise schon angetreten haben.

Achten Sie auf Ausschlussklauseln. Sie sind in vielen Verträgen verankert. Im Fall von Terror und Krieg zahlen die Versicherungen nicht. Auch wenn sich eine chronische Erkrankung verschlechtert, besteht kein Anspruch auf Erstattung. Einige Versicherungen hingegen erstatten die Reisekosten aber, wenn Sie schwer an Covid-19 erkranken oder Sie in Quarantäne müssen. Prüfen Sie vor Abschluss der Versicherung detailgenau Ihren Schutz, um im Zweifelsfall einem rechtlichen Streit vorzubeugen.

(Stand: 04.07.2022)