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Wenn wir durch die Straßen laufen, senken wir oft den Blick auf den Weg, der vor uns liegt. Wir tun dies oft bewusst, um unseren Weg zu wählen. Dabei fällt der Blick manchmal auf kleine Quadrate im Boden, die mit ihrer Inschrift an die Menschen erinnern wollen, die keine Möglichkeit hatten, ihren Weg frei zu bestimmen. Diese Quadrate sind Vielen bereits als „Stolpersteine“ bekannt. Sie sollen uns nicht wirklich zum Stolpern bringen, sondern unsere Gedanken auf unserem Weg durch die Straßen wachrütteln. Eine Art „Stolpern im Kopf“ also.

Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Im Jahr 1992 begann er, die kleinen Gedenktafeln zu verlegen. Sie markieren jeweils den letzten frei gewählten Wohnort von Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben wurden. Jeder Stolperstein wird von Hand hergestellt und trägt das Geburtsjahr und den Namen des Opfers, oft auch Deportationsjahr und Todesort. Mit über 61.000 verlegten Steinen im Sommer 2017 in 1099 Orten Deutschlands sowie zwanzig Ländern Europas stellen die Stolpersteine das größte dezentrale Mahnmal der Welt dar.

Möbelhaus der Familie EpsteinSeit November 2017 liegen auch drei Stolpersteine vor dem Gebäude in der Bahnhofstraße 5, das von der Rheinhessen Sparkasse genutzt wird. Hier befanden sich von 1908 an die Wohnung und das Möbelhaus der Familie Epstein. Zuletzt lebten hier während der Zeit des Nationalsozialismus noch Eduard und Emma Epstein sowie einer ihrer vier Söhne, Kurt Paul Epstein.

Kurt Paul Epstein, der vor den Nationalsozialisten in die Niederlande geflohen war, wurde im Mai 1940 zusammen mit seiner Frau Ilona verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Hier wurde er am 30. September 1942 ermordet. Eduard Epstein wurde gezwungen, sein Geschäft in der Mainzer Bahnhofstraße zu schließen. Er und seine Frau wurden zwangsweise in die Neustadt umgesiedelt, von wo aus sie im September 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurden. Eduard Epstein überlebte das Lager nicht. Seine Frau Emma überlebte und wanderte nach Kriegsende in die Schweiz aus. Erst 1955 konnte sie ihren letzten verbliebenen Sohn, Alfred, wiedersehen. Dieser lebte nach seinem Dienst in der französischen Fremdenlegion in Algerien. Emma Epstein verstarb im Februar 1956 in der Schweiz. Alfred Epstein kehrte schließlich wieder nach Mainz zurück. Dort baute er die jüdische Gemeinde wieder auf und leitete sie viele Jahre als Vorsitzender.

Die Rheinhessen Sparkasse unterstützt die Aktion „Stolpersteine“ und hat die Patenschaft für die in der Bahnhofstraße 5 verlegten Steine übernommen. Hierdurch kam auch der Kontakt zu Rolf Epstein zustande, einem in Wiesbaden lebenden Enkel der Familie Epstein, der froh ist, dass seiner Familie gedacht wird und ihr Schicksal nicht in Vergessenheit gerät.

Wer mehr über die Geschichte der Familie Epstein erfahren möchte, kann hier den Artikel von Frau Dr. Hedwig Brüchert, Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., lesen.