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Marcel Mayer Leitung GründungsWerkstatt Projektkoordination "R(h)eine Gründersache" der HS Worms & HS Ludwigshafen

Marcel Mayer
Leitung GründungsWerkstatt
Projektkoordination „R(h)eine Gründersache“ der HS Worms & HS Ludwigshafen

Die überwiegende Anzahl der Unternehmen in Deutschland ist den sogenannten kleinen und mittleren Unternehmen zuzurechnen. In Ihnen arbeiten gut die Hälfte aller in Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie tragen zu 42 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland bei. Statistisch gesehen hat die Zahl der Neugründungen seit 2011 stark abgenommen, ist im Jahr 2021 aber erstmals wieder leicht gestiegen. Unterstützung für Gründungswillige und junge Unternehmer:innen wird oft auch regional geleistet. Im Interview gibt uns Marcel Mayer, verantwortlich für die GründungsWerkstatt der Hochschule Worms, die durch das Förderprojekt „R(h)eine Gründungssache“ eröffnet werden konnte, Antworten zu aktuellen Fragen rund um das Thema Unternehmensgründung.

1. Schon immer braucht es Mut und Visionen, um sich ernsthaft mit der Gründung eines eigenen Unternehmens zu befassen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren aber in vielen Bereichen dramatisch geändert – zuerst durch die Corona-Pandemie, dann durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Welche Auswirkungen, vielleicht auch Chancen, hat das für junge Gründer:innen?

Die Corona-Pandemie und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu einer unsicheren wirtschaftlichen Lage geführt, die Auswirkungen auf die Gründung von Unternehmen hat. Es kann jedoch auch Chancen bieten, da Bedürfnisse und Märkte sich ändern und so neue Geschäftsmöglichkeiten entstehen können. Es ist wichtig für Gründer:innen, sich intensiv über die aktuelle wirtschaftliche Lage und die Trends in ihrer Branche zu informieren und eine gut durchdachte Geschäftsidee und Strategie zu entwickeln, um erfolgreich zu sein.

2. Seit dem Jahr 2011 ist die Zahl der jährlichen Unternehmensgründungen von über 400.000 auf unter 250.000 gefallen. Interessanterweise scheint sich dieser Trend gerade in Zeiten der Corona-Pandemie zumindest aufzuhalten. Welche Faktoren machen aus Ihrer Sicht die Gründung eines Unternehmens für junge Menschen – auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten – interessant?

Junge Menschen sind oft auf der Suche nach Selbstbestimmung, Karrieremöglichkeiten und finanzieller Freiheit. Die Gründung eines eigenen Unternehmens kann all diese Bedürfnisse erfüllen. Die Kontrolle über das eigene Geschäft, die Möglichkeit, schnell Karriere zu machen und Führungsverantwortung zu übernehmen, und die Chance auf finanzielle Unabhängigkeit und Stabilität sind nur einige der Vorteile. Außerdem ermöglicht die Gründung eines eigenen Unternehmens die Entwicklung und Umsetzung neuer und innovativer Geschäftsideen und kann positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt haben, indem es Arbeitsplätze schafft, die lokale Wirtschaft unterstützt und Nachhaltigkeit fördert.

Wirtschaftliche Herausforderungen können natürlich eine Bedrohung für den Erfolg eines Unternehmens darstellen, insbesondere in Zeiten wie der Corona-Pandemie. Dennoch ist es wichtig zu beachten, dass Unternehmer:innen in jeder Wirtschaftslage Chancen sehen können, indem sie ihre Geschäftsideen anpassen und sich gut informieren. Eine sorgfältige Planung und Vorbereitung kann helfen, Risiken zu minimieren und erfolgreich zu sein. Trotz der Herausforderungen kann die Gründung eines eigenen Unternehmens eine lohnende Erfahrung sein, die zu einer erfüllenden Karriere und finanzieller Freiheit führen kann.

3. Eine Gründung ist grundsätzlich auch in Eigenregie durchführbar. Wie sieht im Gegensatz zu einer komplett selbst geplanten Gründung die Unterstützungsleistung für Studierende, Absolvent:innen und Mitarbeiter:innen der Hochschule Worms konkret aus? Welchen Beitrag kann die GründungsWerkstatt leisten, auf den andere Gründer:innen verzichten müssen?

Grundsätzlich gibt es natürlich eine vielfältiges Angebot an Unterstützungsleistungen für alle angehende Unternehmer:innen von ganz unterschiedlichen Akteuren. Sei es von den Industrie- und Handels- und Handwerkskammern, den Wirtschaftsförderungen, den (Förder-)Banken, von Vereinen oder auch direkt aus der Gründungs- bzw. Startup-Szene. Jedoch haben wir als Hochschuleinrichtung schwerpunktmäßig eine feste Zielgruppe auf die wir unsere Angebote ausrichten.

Ein großes Ziel unserer Arbeit ist die Sensibilisierung mit dem Thema Unternehmensgründung, sei diese klassisch umgesetzt oder gerne auch in Projekten, die eine soziale oder nachhaltige Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt versprechen. Viele Studierende haben die Selbstständigkeit gar nicht auf dem Schirm und hätten aber großes Potential dafür. Einige Veranstaltungsformate öffnen wir auch für interessierte Personen, die nicht der Hochschule angehören, z. Bsp. unsere GründungsDienstag-Reihe im Semester.

Es gibt auch bestimmte Förderprogramme, die nur über die Gründungsfördereinrichtungen der Hochschulen beantragt werden können. Als vorbildliches Beispiel zählt hierzu das EXIST-Gründungsstipendium, das es einem Hochschul-Team erlaubt ein Jahr lang in Vollzeit seine innovative Geschäftsidee zur Marktreife zu entwickeln und am Ende einen ausgereiften Businessplan einzureichen. Dafür bekommen bis zu drei Stipendiaten monatliche Lebenskosten, bis zu 5.000 € Coachingmittel und bis zu 30.000 € für Sachkosten.

4. Gibt es Projekte bzw. Gründungen, die Ihnen seit Beginn des Projekts GründungsWerkstatt besonders im Gedächtnis geblieben sind? Die durch ihre Einzigartigkeit besonders erfolgreich sind und als Ansporn/positives Beispiel für andere dienen können?

Ja, dazu gibt es glücklicherweise einige Gründungsteams zu nennen. Vier Informatik-Studierende unserer Hochschule gründeten 2017 das Startup EyeV, während sie vom beschriebenen EXIST-Stipendium gefördert wurden. Sie haben eine Technologie entwickelt mit der man nur mit seinen Augen einen Computer oder ein Pad steuern kann. Das kann natürlich für viele verschiedene Bereiche verwendet werden, z. Bsp. kann es eine Hilfe für Menschen sein, die sonst körperlich nicht im Stande wären, am digitalen Leben teil zu nehmen. Oder im Bereich der Marktforschung, für den Gamingbereich (VR & AR) und zur biometrischen, Verhaltens- und medizinischen Forschung. Die Gründer waren mit ihrer Idee, die recht neue Technik des Eye Trackings für die digitale Kommunikation zu nutzen, Vorreiter im Markt. Sie wurden 2018 mit dem 2. Platz der Pioniergeist-Auszeichnung geehrt, die den herausragenden Mut rheinland-pfälzischer Gründer:innen honoriert. Mehr Infos unter: https://eyev.de/

Dann gibt es noch das Gründungsteam um die 8devs, das aus zwei Informatikern und einem Wirtschaftsabsolventen bestehende Unternehmen hat das Ziel mit innovativen Technologien die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen zu verbessern. Das ebenfalls von EXIST geförderte Startup entwickelt Apps für den Rettungsdienst, Gesundheitssektor und Arbeitsschutz. Mehr Infos unter: https://www.8devs.io

Unsere Flexheros haben auch eine tolle Geschichte. Das Team aus zwei Absolventen unseres Fachbereichs Touristik & Verkehrswesen und einem Informatiker wurde ein Jahr mit Zuschüssen gefördert, um ihre innovative gesellschaftlich relevante Idee marktreif zu bekommen. Über die Flexhero-App und -Plattform können caritative Organisationen und Vereine ehrenamtliche Helfer:innen finden bzw. Interessierte können schnell und flexibel das passende freiwillige, ehrenamtliche Engagement für sich ausfindig machen. Inzwischen wurden schon über 6.500 Personen in Ehrenämter vermittelt. Mehr Infos unter: https://www.flexhero.de

5. Für diejenigen die den Schritt zum eigenen Unternehmen noch nicht gewagt haben: Welche Botschaft möchten Sie Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben?

Wenn man eine Leidenschaft für sein Projekt oder die Geschäftsidee entwickelt hat, dann sollte man auch probieren es umzusetzen. Es gibt viele Wege mit wenig Budget die eigene Idee zu testen. Man kann so viel daraus lernen und Erfahrungen sammeln. Auch falls es nicht klappen sollte, ist das keine verlorene Zeit. Für eine spätere Anstellung in einem größeren Unternehmen sind die entwickelten Kompetenzen bei der internen Projektentwicklung und Innovationsvorgängen sehr gerne gesehen.

6. Zuletzt noch die Frage: Wohin dürfen sich Interessierte wenden? Wo gibt es Informationen über die GründungsWerkstatt?

Informationen zu unseren Angeboten gibt es auf den zwei folgenden Webseiten:
https://www.hs-worms.de/gruenden/
https://www.rheinegruendungssache.de/

Interessierte sind gerne dazu eingeladen zu unserer GründungsDienstag-Reihe während des Hochschul-Semesters (ab Ende März) zu kommen und die Startups und Gründungsszene hautnah mitzuerleben.

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg für die GründungsWerkstatt sowie allen beteiligten Unternehmer:innen!