Die Mainzer Singakademie e.V. ist einer der ältesten Bürgerchöre Deutschlands. Exklusiv auf unserem Blog beantwortet der Vorstandsvorsitzende der Mainzer Singakademie, Axel Hoock, unsere Fragen:
Rheinhessen Sparkasse: Die Mainzer Singakademie ist der älteste Kulturverein in Mainz. Wie schaffen Sie es seit 1831, Menschen für die Arbeit in Ihrem Chor zu begeistern?
Hoock: Viele Menschen empfinden das Singen als einen Ausdruck ihrer Persönlichkeit, ihrer Gefühle und Gedanken. Deshalb suchen sie den Chor, der zu ihnen passt. Besonders über die letzten Jahrzehnte hat sich das Chorleben verändert. Früher ist man früh in einen Chor eingetreten und dann sozusagen ein Leben lang dort Mitglied geblieben. Heute entscheiden sich Sängerinnen und Sänger durch die viel größere Mobilität, auch in andere Chöre „hineinzuschnuppern“. Da entscheiden am Schluss die wichtigsten Kriterien: Welche Werke werden aufgeführt, wie ist das künstlerische und menschliche Profil des Chorleiters und wie fühlt man sich im Chor zuhause? Die Mainzer Singakademie versucht immer wieder Antworten neu zu formulieren, um unseren Kern zu transportieren: Wir sind der Mainzer Bürgerchor mit einem leistungsorientierten Profil. Und: Wir bieten eine kontinuierliche Arbeit an der Stimme der einzelnen Sängerinnen und Sänger an, das schätzen viele unserer Mitglieder.
Rheinhessen Sparkasse: Bei der Auswahl der dargebotenen Stücke finden neben den großen Namen auch immer wieder unbekanntere Komponisten einen Platz im Programm der Mainzer Singakademie, so z.B. im April diesen Jahres „Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun. Welche Motive leiten Sie bei der Auswahl der Stücke?
Hoock: Die Auswahl der Werke obliegt zu allererst unserem Musikdirektor Alexander J. Süß. Da greifen auch nicht immer objektive Kriterien, sondern der künstlerische Leiter wählt Werke aus, die ihm etwas bedeuten, die er gerne zu Gehör bringen möchte. Gemeinsam mit ihm versuchen wir eine Balance zu halten zwischen bekannten Werken, die aus guten Gründen zum Standard-Repertoire gehören, und Werken, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Eigentlich ist der Kanon der aufgeführten Werke im Konzertleben viel zu klein – es gibt so vieles zu entdecken. Und Alexander Süß hat über die letzten Jahre immer wieder Entdeckungen für Mainz bereitgehalten. Die Sängerinnen und Sänger erfreut das sehr – und das Publikum lässt sich in Mainz auch gerne einmal auf ein „Wagnis“ ein.
Rheinhessen Sparkasse: Die Musikwelt dieser Tage ist oft von Schnelllebigkeit geprägt. Musik soll am besten jederzeit und überall auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. Weshalb empfehlen Sie den Mainzerinnen und Mainzern, Ihre Musik in einem Konzert zu erleben?
Hoock: Die Verfügbarkeit der Musik heute ist ein Segen. Sie eröffnet uns unglaubliche Möglichkeiten, unseren Horizont zu erweitern und Musik in unser Leben zu holen. Gleichwohl sind Konzerterfahrungen noch viel mehr als nur das Hören von perfekt ausgesteuerten Studioproduktionen. Für die Sängerinnen und Sänger ist der Vorgang des Erarbeitens eines Werkes eine unglaublich spannende Erfahrung – ein Stück wird sozusagen langsam, Note für Note durchdrungen. Ein Konzert ist aber auch für die Besucher eine Musikerfahrung in einem bestimmten Raum – in unserem Falle häufig die wunderbare St. Stephanskirche mit den Chagallfenstern – da wird das Konzert zu einem Gesamterlebnis. Musik live zu erleben ist in klanglicher Hinsicht für die Besucher ein unmittelbares Erlebnis: Chor, Orchester und Solisten sind nahezu greifbar – man erlebt die Musik mit dem gesamten Körper und allen Sinnen. Ein Konzert, das zu einem wesentlichen Teil von einem Chor gestaltet wird, ist dabei auch ein Konzert mit der Mutter aller Musikinstrumente, nämlich der menschlichen Stimme, deren Wirkung man sich kaum entziehen kann. Und schließlich bin ich da auch ganz traditionell. Ein Konzert zu besuchen ist auch ein soziales Ereignis: Das gemeinsame Erleben – die Begeisterung oder auch einmal eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gehörten ist im Konzert viel größer als im Hören einer noch so guten „Klangkonserve“. Sie ahnen gar nicht, wie viele Gespräche durch ein Konzert angeregt werden. Der Dialog, der zwischen Podium und Zuschauerraum entsteht, führt sehr oft im Nachhinein auch zu Dialogen zwischen den Besuchern und zwischen den Besuchern und den Mitwirkenden. Das ist für alle Seiten eine bereichernde Erfahrung.