Es kommt halt immer auf die Sichtweise an. Für rund 60 Athleten war die Ringerhalle in Mainz-Weisenau am vergangenen Wochenende genau das: Das Zentrum ihrer Leidenschaft – Ringen. Der Athletik Sport Verein 1888 e.V. hielt sein dreitägiges Trainingslager ab, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten. Das Ziel hierfür ist klar: Mit dem traditionellen Trainingslager soll der Grundstein für den erhofften Erfolg in der kommenden Saison gelegt werden.Ich folgte der Einladung des Vereins und durfte die Begeisterung der Ringkämpfer für ihren Sport hautnah erleben.
Am Freitagabend trafen die Sportler gegen 19 Uhr in der Halle ein. Und auch wenn noch nicht alle am Freitag anreisen konnten, war die Halle mit ca. 40 Ringern schon gut gefüllt. Die Leitung des Trainings übernahm der Cheftrainer des Vereins, David Bichinashvili. Während er die Sportler zum Aufwärmen schickte, stellte mir Karani Kutlu, Beisitzer des Vorstands, die einzelnen Ringer vor. Die Namen, die ich bislang nur von der Internetseite des ASV Mainz 88 kannte, bekamen so ein Gesicht. Und wer sich einmal die Mühe macht, sich die Mannschaft anzusehen, der wird feststellen, dass es vor allem an einem nicht fehlt: Titeln. Regionale, nationale, Europa- und Weltmeister sowie Olympiateilnehmer stellen die erste Mannschaft des Vereins. Auch die zweite Mannschaft steht dem in nichts nach. Durch alle Gewichtsklassen ziehen sich die Titel und machen klar: Das hier ist Profisport.
Nach dem Aufwärmen folgten die ersten Techniklektionen. David Bichinashvili gab seine Erfahrung als mehrfacher deutscher Meister, Weltmeisterschafts- und Olympiateilnehmer weiter und demonstrierte Techniken, die seinen Schützlingen den entscheidenden Vorteil im Kampf Mann gegen Mann bringen sollen. Aufmerksam lauschten sie seinen Erklärungen und beobachteten ganz genau, wie David Bichinashvili seinen „Kontrahenten“ auf die Matte zwang. Danach ging es an die Umsetzung. Überall in der Halle standen sich nun Männer gegenüber und versuchten, sich gegenseitig zu Boden zu werfen oder herumzuwirbeln. Der Ehrgeiz der Athleten wurde sichtbar und drückte sich in angespannten Muskeln, roten Köpfen und vereinzelten Aufschreien aus.
Karani Kutlu erklärte mir unterdessen, dass die örtliche Verbundenheit für den Verein ein wichtiges Kriterium ist. Nicht nur, weil sich der Verein mit Mainz identifiziert, der Verein legt auch großen Wert darauf, dass die Athleten sich als Mainzer Sportler sehen. So wohnen die meisten der Athleten auch in unserer schönen Rheinmetropole. Die Verbundenheit von Verein, Stadt und Ringern kommt aber auch dadurch zum Ausdruck, dass Athleten aus Nürnberg und sogar der Türkei angereist sind, nur um beim Trainingslager des ASV Mainz 88 trainieren zu können. Zudem sorgt der Verein dafür, dass „Fremde“ nicht lange fremd bleiben. Ausgrenzung ist hier beim ASV Mainz 88 ein im wahrsten Sinne ein Fremdwort.
Stattdessen wird Integration gelebt. So hat der Verein eigens eine Flüchtlings-Mannschaft gegründet, um den Opfern von Krieg, Vertreibung und Hunger mit Sport die Eingliederung in unsere Gesellschaft zu ermöglichen. Eigene Belange stehen dabei zurück: „Da in einer Wettkampfmannschaft auf Grund des Reglements in der neu geschaffenen Rheinlandpfalz-Liga 5 von 10 Ringern deutsch sein mussten, war von vornherein klar, dass unsere Flüchtlings-Mannschaft ungeachtet ihrer sportlichen Erfolge disqualifiziert werden würde. Dennoch haben wir sie weiterhin in der Liga eingesetzt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, zu zeigen, was sie können“, erklärte Karani Kutlu. Als Rheinhessen Sparkasse sind wir auch deswegen besonders stolz, den ASV Mainz 88 unterstützen zu können.
Mittlerweile zeigte sich deutlich, dass Ringen ein Sport ist, der nicht nur Kraft und Reaktionsgeschwindigkeit, sondern auch Taktik, Technik und Ausdauer benötigt. Um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, kämpften die Ringer nun oberkörperfrei. „Dadurch wird es schwieriger, den Gegner zu greifen, da man leichter abrutscht“, erklärte man mir. Auch wenn die Sportler wegen des Verletzungsrisikos nicht mit dem Äußersten versuchten, ihren Gegner zu bezwingen, so konnte man doch sehen, dass die zwei Mal drei Minuten, so lange dauert ein Ringkampf, Höchstleistung für den Körper bedeuten.
Gegen 21.30 Uhr beendeten die Athleten ihr Training mit verschiedenen Kraftübungen und lockerem Auslaufen. Ich schaute in verschwitzte, aber glückliche Gesichter. Während sich die Sportler auf den Weg in Richtung Dusche machten, um anschließend gemeinsam zu essen, fiel mir wieder ein: Den Jungs stehen noch je zwei Trainingseinheiten am Samstag und Sonntag bevor. Die Saison 2017/18 kann also kommen, die Ringer des ASV Mainz 88 sind bestens vorbereitet. Und jetzt, wo ich weiß, was die Gegner erwartet, bin ich mir sicher: Leicht werden sie es nicht haben.
Verfolgen Sie die aufregende Welt des Ringsports, bei dem Spitzensport auf Bundesliganiveau geboten wird, auch hier auf unserem Blog. Und über die lokale Konkurrenz des ASV Mainz 88, den SV Alemannia Nackenheim, berichten wir hier natürlich auch.